Leseprobe (4) aus:
Können tränende Augen lügen? (Seiten 108 - 111)
Sascha mußte am Abend wieder weg, hatte ein Date mit einem Freier, irgendwo muß
das Geld ja herkommen, was wir so ausgeben. Trotzdem wollte er erst nicht gehen,
als ich ihm aber versicherte, daß ich keinen Unsinn anstellen würde, ging er.
Ich saß im Wohnzimmer, versuchte im Fernsehen irgendwelche Soaps zu sehen, es
klappte nicht, alles Drang aus einer verzerrten Ferne zu mir vor. Zu guter letzt
stand ich auf und machte mich über Saschas Wasserpfeife her. Ich wollte
vergessen, endlich vergessen, vielleicht damit es schaffen, wieder einen
klareren Kopf zu bekommen, schließlich mußte ich mir darüber klar werden, wie es
nun weiter gehen sollte. Ich kann nicht sagen, wie viele Köpfe ich weg geraucht
habe. Es reichte zumindest dafür, daß ich endlich völlig benommen auf der Couch
einschlief.
Es war
kein schöner Schlaf. Ich sehe im Traum einen blutverschmierten, matschigen Kopf,
nur mühsam kann ich in diesem Matsch noch erkennen, daß das mal das Gesicht
meines Bruders war. Ich stehe vor diesem matschigem Gesicht, mit
blutverschmierten Händen, und grinse das an, was mal mein Bruder war. Dabei gebe
ich völlig erlöst von mir. >Du warst es, Du hast Mutter umgebracht und mir dann
die scheiß Knarre in die Hand gedrückt. Du siehst, alles rächt sich im Leben.<
Etwas rüttelt mich. Seit wann können Tote einen rütteln? Das Bild verschwimmt,
weicht einem rasenden Kopfschmerz, höre eine krächzende Stimme, mache langsam
die Augen auf. Alles dreht sich, mein Kopf schmerzt, hämmert, fühlt sich an, als
ob er platzen wollte. Licht, viel zu helles Licht. Scheiße tut das weh, schnell
die Augen wieder schließen. Will eine Hand schützend davor halten, doch der Arm
ist zu schwer, als daß er angehoben werden könnte. Versuche nochmals die Augen
zu öffnen. Es geht, das Licht ist gedämmter, kommt von woanders her. Langsam
gewahre ich Saschas Gesicht, das mich sehr besorgt anschaut. Etwas fühlt sich
klebrig an, an Gesicht Händen und T-Shirt. Kotze! Ich habe mich von oben bis
unten voll gekotzt. Will aufstehen, doch alles dreht sich und der Kopf hämmert
nun noch stärker, schließe wieder die Augen.
Sendepause.
Wo kommt denn der Kaffeegeruch nur her, war ich nicht gestorben? Trinkt man im
Himmel auch Kaffee? Eine Stimme, dachte zwar immer Engel sein weiblich, na egal,
diese Stimme hat zumindest einen markant männlichen Klang. Es dämmert. Sascha.
Ich lebe, mache langsam die Augen auf. Es ist hell draußen, etwas plätschert
gegen die Scheiben, Regen. Mein Kopf brummt, aber hämmert nicht mehr. Ich kann
mich sogar bewegen, nur schwindelig ist mir und wie. Besser liegen bleiben, muß
halt warten bis der Kaffee zu mir kommt. Egal, richte mich nun langsam im Bett
auf, es geht, solange ich zumindest noch halbwegs liege, ist die Dreherei noch
erträglich.
„Mann, wird ja auch langsam Zeit, daß Du wach wirst.“ begrüßt Sascha meine
Rückkehr ins Leben.
Huch, von wo kommt denn die Stimme? Kopf mal langsam nach rechts bewegen. Ach da
steht er. Sascha stand im rechten Teil des Schlafzimmers und war am Bügeln. Ganz
der Hausmann. Nur wo ist der Kaffee? Als ob er geahnt hätte, wonach mein Blick
suchte.
„Beweg mal Deinen Kopf langsam nach links. Na? Siehst Du das Tablett am Boden?“
erkundigt sich Sascha.
Ja, ich sehe es, auch wenn das nach unten schauen nicht so einfach ist, denn
dann werden diese Drehbewegungen wieder schlimmer. Sascha kommt ums Bett, setzt
sich neben mich und holt das Tablett auf seinen Schoß. Warum denn nicht gleich
so?
„Na komm, trink erst mal was. Zuerst einen Kaffee und dann machst Du bitte die
zwei Flaschen Wasser hier leer.“ Dabei deutete Sascha auf zwei Flaschen
Mineralwasser, die er ebenfalls vom Boden nach oben gezaubert hatte.
Absoluter Filmriß! Was ist passiert? Warum fühle ich mich nur so beschissen?
Will was sagen, doch meine Zunge ist klebrig, nur mit Mühe und einer Stimme, vor
der ich mich dermaßen erschrecke, daß mir fast die Tasse Kaffee, die ich
inzwischen vom Tablett genommen hatte, aus der Hand gefallen wäre.
„Was ist passiert, was ist los mit mir?“ erkundige ich mich mit belegter Stimme.
„Besser Du trinkst erst was. Rest kommt später. Trink! Nicht Quatschen!“
Erwiderte Sascha und damit ich erst gar nicht auf die Idee komme, ein Gespräch
zu beginnen, verläßt er das Schlafzimmer. Der Kaffe schmeckt nicht, ist nichts
gegen Durst. Statt dessen leere ich einem Zug die erste Flasche Sprudel, will
schon die zweite aufmachen und trinken, als der Magen dagegen heftig protestiert
und der Sprudel in hohen Bogen wieder draußen landet. Sascha kommt rein
gestürzt, der meine Kotzlaute gehört hatte.
„Hatte ich gesagt Du sollst saufen? Trinken! Langsam, Du Idiot. Schluck für
Schluck. Klasse! Wieder Bettwäsche wechseln. Wenn Du das noch einmal machst,
können wir die nächste Nacht ohne Bettzeug pennen. Komme doch gerade erst vom
Waschsalon mit drei Ladungen Bettwäsche.“ motzt er vor sich hin.
Mir fehlen die Worte. Was sollte ich auch sagen? Tut mir leid, daß Du soviel
waschen mußt? Langsam stehe ich auf, will helfen, doch alles dreht sich, meine
Beine versagen ihrem Dienst. Sascha stütz mich schnell ab und bringt mich ins
Wohnzimmer auf die Couch. Was hab ich nur gemacht? Oder was hat man mit mir
gemacht? Hier funktioniert ja rein gar nichts mehr. Will Sascha fragen, doch der
ist schon wieder im Schlafzimmer verschwunden, Bett frisch beziehen. Habe immer
noch Durst, will endlich was trinken, traue mich nur nicht. Eine Couch paßt halt
in keine Waschmaschine. Ah, da kommt er ja endlich wieder. Was will der mit dem
Putzeimer? Sascha stellte den Putzeimer direkt vor die Couch.
„So! Auf ein Neues. Schön langsam trinken. Schluck für Schluck, Pause und weiter
Schluck für Schluck. Und wenn Du meinst, Du müßtest wieder Kotzen, dann bitte
kein Rotationsreier, sondern schön in den Eimer hier zielen.“ Sagte dies und
reichte mir die Flasche rüber. Es funktioniert. Grummelt zwar ganz gut im Bauch,
aber das Würgegefühl bleibt weg.
„Na, wer sagt `s denn. Geht ja. Schön weiter machen.“ lobt Sascha meine
Schlückchen Aufnahme.
Das klebrige Gefühl der Zunge verschwindet, von Schluck zu Schluck. Als ich die
eine Flasche weg habe, will ich endlich wissen was los ist.
„Montag war nicht gerade Dein Tag. Ich hätte besser nicht das Date gemacht.
Jedenfalls hast Du Dich, als ich weg war, über meine Bestände her gemacht. Alle
Achtung, das macht Dir so schnell keiner nach. Stoff für gut hundertfünfzig Mark
weg geballert. Hast Dich regelrecht ins Koma geraucht. Wenn Du nicht am Schlafen
warst, hast Du halt Blut und Galle gekotzt und furchtbar wirres Zeug gelabert.
Na ja, egal, scheinst ja so langsam wieder zu Dir zu kommen. Nur sei Vorsichtig.
Du hast ein gutes Depot Dir im Körper angelegt. Können also noch paar nette
Nachrauschstunden kommen. Den Rest sollten wir bereden, wenn es Dir was besser
geht. Und der schnellste Weg sich zu entgiften ist der da.“ Dabei deutete Sascha
auf die Flaschen. „Mineralwasser!“
„Welchen Tag haben wir heute?“ erkundigte ich mich, mit böser Vorahnung.
„Kein Grund zur Panik, wir haben erst Mittwoch.“
Mittwoch????? Du dickes Ei !!!
Den Rest des Mittwoches
verbrachte ich mit Wasser trinken, Wasser wegbringen, Wasser trinken. Und
schlafen, immer wieder fielen mir die Augen zu, also schlafen. Donnerstag morgen
wachte ich mit Herzrasen auf, mir war heiß, ich zitterte. Sascha beruhigte mich,
das sei nur das Depot im Körper, es würde sich ein wenig dagegen wehren, daß ich
davon gerade zehre. Na Klasse! Mann solle halt nur so viel rauchen, wie man auch
verträgt. Welch weisen Ratschläge.